Seit nunmehr quick zwei Jahren müssen Finanz- und Versicherungsvermittler ihre Kunden fragen, welchen Wert sie auf das Thema Nachhaltigkeit legen. Das legt die als EU-Taxonomie bekannte Verordnung fest. Darüber hinaus müssen Vermittler ihre Kunden aktiv darüber aufklären, welche klimafreundliche und sozialverträgliche Anlage- und Versicherungsmöglichkeiten es für sie gäbe.
Viel geändert hat sich in dieser Zeit allerdings nicht – zumindest im Versicherungsbereich. Nach einer Begeisterungswelle in den Vorjahren nimmt das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen in der Bevölkerung wieder ab. Und auch das Angebot hält sich in Grenzen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studienreihe „Policen für den Planeten“, die die Digitalberatungsagentur Elaboratum zusammen mit der Universität St. Gallen durchgeführt hat. Es nahmen je rund 830 Personen aus Deutschland und der Schweiz an der Studie teil.
Absolute Exoten
„Nachhaltige Versicherungsprodukte sind bis heute absolute Exoten am Markt“, so fassen die Studienautoren die Ergebnisse zusammen.
Die Forscher fragten unter anderem, wie wichtig Nachhaltigkeit als Entscheidungskriterium im Vergleich zu anderen Aspekten ist und ob die Kunden den Zusammenhang zwischen Versicherungsthemen und Nachhaltigkeit überhaupt wahrnehmen. Demnach erachtet jeder fünfte Befragte die Verbindung zwischen diesen beiden Themen für stark oder sehr stark. Intestine jeder Dritte (35 Prozent) sieht bestenfalls nur einen schwachen Zusammenhang. 45 Prozent der Studienteilnehmer sehen keinerlei Zusammenhang zwischen Versicherungsthemen und Nachhaltigkeit.
Auch auf die Frage, was nachhaltige Versicherungen im Vergleich zu herkömmlichen Policen auszeichnet, wusste die Mehrheit der Befragten keine Antwort. Das könnte daran liegen, dass Kunden bislang kaum die Möglichkeit hatten, Erfahrungen mit nachhaltigen Versicherungsprodukten zu sammeln, vermuten die Studienautoren. So sind rund zwei Drittel der befragten Versicherungskunden nach eigenen Angaben noch nie in Berührung mit nachhaltigen Versicherungsprodukten gekommen. Ein weiteres Viertel konnte keine Antwort auf diese Frage geben. „Offenbar sind nachhaltige Produkte entweder nicht eindeutig erkennbar oder bleiben nicht als solche im Gedächtnis“, folgern die Forscher.
LV und BU als weniger wichtig wahrgenommen
Der Mangel an praktischer Erfahrung bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die Kunden keine klare Meinung haben, welche konkreten Versicherungsprodukte in Bezug auf Nachhaltigkeit related sind, so die Forscher weiter. Den größten Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten demnach Wohngebäude- und Kfz-Versicherungen: Jeweils jeder fünfte Befragte misst ihnen in Sachen ESG große Bedeutung bei. Reiseversicherungen landen mit 19 Prozent der Nennungen auf Rang drei.
„Offenbar ist entscheidend, ob das versicherte Objekt im öffentlichen Diskurs mit Nachhaltigkeit verbunden wird“, erklären die Forscher. Dies sei etwa bei der Kfz-Versicherung (Förderung von E-Mobilität) oder der Wohngebäudeversicherung (Novelle des Heizungsgesetzes) eindeutig der Fall. Auch Reisen stehe in der öffentlichen Debatte immer mehr im Kontext von Nachhaltigkeit.
Die Lebens– und die Berufsunfähigkeitsversicherung werden mit 13 beziehungsweise 15 Prozent vergleichsweise seltener als sehr wichtig eingeschätzt. „Auch wenn einzelne Befragte auf die Frage ,Was ist es, das ein Produkt nachhaltig macht?’ die nachhaltige Kapitalanlage erwähnen, scheint es insgesamt noch so zu sein, dass Kunden den großen Hebel, den Versicherer in Wahrheit über ihr Investitionsverhalten bei Nicht-Sachversicherungsprodukten haben, noch nicht erkennen oder nicht verstehen. Dies bestätigt den eingangs erklärten eher gering wahrgenommenen Gesamtzusammenhang zwischen Versicherung und Nachhaltigkeit“, schreiben die Studienautoren.
Bei der Frage, bei welchen Versicherungen eine nachhaltige Choice den Kunden besonders wichtig sei, landen drei Versicherungen auf den Prime-Plätzen: Die Privathaftpflichtversicherung, die für 38,2 Prozent der Befragten wichtig ist, die Hausratversicherung, die 36,9 Prozent der Teilnehmer erwähnen, sowie die Kfz-Versicherung mit 33,9 Prozent. „Dass die Privathaftpflichtversicherung (PHV) auf dem ersten Platz landet, könnte daran liegen, dass die PHV die Versicherung ist, die die meisten Menschen besitzen“, vermuten die Forscher. So wird in der Schweiz die PHV häufig bei Anmietung einer Wohnung gefordert.
Jeder Zweite hält keinen Versicherer für nachhaltig
Bei der Frage nach den nachhaltigsten Versicherern aus Kundensicht erhoben die Forscher die Daten für Deutschland und die Schweiz getrennt. Den Teilnehmern aus Deutschland legten sie eine Liste aus 24 Versicherern vor. „Welche dieser Versicherer nehmen Sie als besonders nachhaltig wahr?“, so lautete die Frage, die die Befragten mit „ja“ oder „nein“ beantworten konnten. Eine weitere Choice struggle, dass der Befragte keine der aufgeführten Gesellschaften für nachhaltig hält.
Das Ergebnis: Keine der untersuchten Versicherungsgesellschaften wird von einem großen Teil der Bevölkerung als nachhaltig orientiert wahrgenommen. Knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland (47,5 Prozent) nehmen keine Versicherung als nachhaltig wahr.
Allerdings gibt es einen kleinen Teil von Versicherern, die bei der Bewertung herausstechen. In Deutschland trauen die meisten Versicherungskunden der Allianz (25,4 Prozent) Nachhaltigkeit zu, die HUK-Coburg (15,3 Prozent) und Ergo (13,1 Prozent) folgen.