Zum Begin der neuen Saison will die Deutsche Fußball Liga (DFL) nachhaltiger werden. Andreas Rettig, ehemaliger DFL-Geschäftsführer, hält die Maßnahmen für wenig ambitioniert – und erklärt, was er anders gemacht hätte.
Herr Rettig, alle Vereine der 1. und 2. Liga müssen nachhaltiger werden, die DFL hat dazu einheitliche Regeln beschlossen. Ist das ein richtiger Schritt?
Ja, denn sonst bleibt es bei Absichtserklärungen. Das Bewusstsein ist schon größer geworden. Aber wenn Vereine vor der Wahl stehen, investieren sie ihr Geld lieber in ein 18-jähriges Sturmtalent als in eine Photovoltaikanlage.
Nachhaltigkeit ist ab sofort Teil der Lizenzierung. Das heißt, wer in der jeweils nächsten Spielzeit dabei sein möchte, muss Mindestkriterien erfüllen, die in die Themen „Clubführung & -organisation“, „Umwelt und Ressourcen“ sowie „Anspruchsgruppen“ unterteilt sind. Das klingt nach einem scharfen Schwert.
Leider ist es ein stumpfes Schwert. Vielleicht wird es in drei, vier Jahren härtere Sanktionen geben, aber im ersten Schritt geht es vor allem um Bekenntnisse und Konzepte. Wer die nicht vorweisen kann, wird möglicherweise sanktioniert, muss aber nicht befürchten, seine Lizenz zu verlieren. Davon sind wir weit entfernt.
So bekommen Sie den Publication von Desk.Media
Dieses Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem ESG.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte es ESG.Desk am 16. August 2023.
Erhalten Sie 30 Tage kostenlos Zugang zu weiteren exklusiven Informationen der Desk.Media Skilled Briefings – das Entscheidende für die Entscheidenden in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und NGOs.
Die DFL conflict bislang kein ESG-Vorreiter und tatsächlich sucht man konkrete Vorgaben, Zielsetzungen oder wissenschaftlich begründete Benchmarks quick vergeblich. Unter Punkt 2.7 zu Treibhausgasen heißt es lediglich: „Hat der Membership ein Ziel zur CO₂-Reduktion? Führt der Membership mindestens eine Reduktionsmaßnahme durch?“ Lässt sich so Wandel voranbringen?
Natürlich nicht. Die Vorgaben sind wenig ambitioniert. Ich hätte mir deutlich mehr Mut gewünscht, vor allem im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit.
Gefordert wird zum Beispiel, dass alle Golf equipment einen Nachhaltigkeitsbericht vorweisen müssen. Laut der Fan-Initiative „Zukunft Profifußball“ hatten von den 36 Vereinen bis Mitte Juli aber nur 15 einen Report veröffentlicht – und nicht mal Branchenprimus Bayern München conflict dabei. Woran liegt das?
Der Leidensdruck und der öffentliche Druck scheinen noch nicht groß genug zu sein. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Als ich Supervisor beim FC St. Pauli conflict, haben wir Bienenstöcke auf dem Stadiondach montiert, um auf das Bienensterben aufmerksam zu machen. Danach haben wir ein paar Spiele verloren – und ich bekam einen bitterbösen Transient eines Mitglieds. „Alles intestine und schön, was Sie da machen“, schrieb er. „Aber denken Sie bitte daran: Bienen schießen keine Tore.“ So denken viele im Fußball.
Wie ließe sich mehr Nachhaltigkeit erreichen?
Man hätte es so machen sollen wie bei der Einführung der Nachwuchsleistungszentren (NLZ) vor etwa 20 Jahren. Ich hatte damals den Vorsitz der zuständigen Kommission und wir haben verbindliche Vorgaben gemacht. Seitdem muss jeder Verein ein NLZ haben. Das hat dazu geführt, dass mehr junge Spieler auf High-Niveau ausgebildet wurden und die Nationalelf 2014 Weltmeister werden konnte. Das ist für mich die Blaupause.
Aber kann man das miteinander vergleichen? Mit sportlichem Erfolg lässt sich Geld verdienen – mit Nachhaltigkeit im Fußball kaum.
Bei den NLZ haben die Vereine am Anfang auch nicht Hurra geschrien. Aber zugleich bekamen sie vom Verband finanzielle Unterstützungen, je nachdem, wie sie sehr sie bereit waren, selbst zu investieren. Das hat einen Anreiz gesetzt und den hätte man jetzt in Type von Ko-Finanzierungen für nachhaltige Technologien wiederholen müssen. Natürlich stimmt es, dass die Währung in diesem Fall eine andere ist – hier geht es um gesellschaftliche Akzeptanz, die der Profifußball unbedingt braucht. Anders als viele Bereiche der freien Wirtschaft. Aber mittelbar lässt sich auch damit Geld verdienen.
Wie geht das?
Ende der 90er-Jahre, als ich beim SC Freiburg meine erste Station als alleinverantwortlicher Supervisor hatte, haben wir Solaranlagen und Holzhackschnitzelanlagen in Betrieb genommen. Von diesem Picture als grüner Verein, das damals geprägt wurde, profitiert der Membership immer noch. Es schafft Identität und zieht Mitarbeiter an.
Einige Vereine sind weit, der VfL Wolfsburg etwa hat seit Jahren professionelle ESG-Strukturen. Beim HSV aber konnte man etwas anderes sehen: Der Verein conflict vor mehr als zehn Jahren einer der ersten in Europa mit einem CSR-Bericht. Dann ging es sportlich bergab, die Einnahmen fehlten und die Nachhaltigkeit wurde begraben.
Es steht und fällt mit der intrinsischen Motivation der Entscheidungsträger. Wenn Nachhaltigkeit nicht zur Chefsache erklärt wird, ist es schwer, weil man keine harten, direkt sichtbaren Erlöse erzielt. Es ist ein Funding in die Zukunft. Aber häufig wird nur Karo einfach gespielt. Da fehlt mir die Kreativität.
Die Nachhaltigkeitskriterien gelten für alle gleichermaßen. Aber während Rekordmeister Bayern München mehr als 600 Millionen im Jahr umsetzt, spielt die SV 07 Elversberg gerade zum ersten Mal in der 2. Liga. Hätte die DFL ein Modell mit abgestuften Anforderungen entwickeln müssen?
Ich würde das umdrehen. Vom Branchenführer erwarte ich, dass er die Kriterien nicht erfüllt, sondern deutlich übererfüllt und Benchmarks setzt. Elversberg hingegen erhält durch den Aufstieg mindestens 8,5 Millionen Euro aus den TV-Erlösen statt eine Million wie zuvor. Da kann man schon mal fragen, ob der Membership aufgrund der 7,5 Millionen Euro, die vom Himmel fallen, nicht bereit ist, sich stärker dem Thema der Nachhaltigkeit zu widmen.
Fragen der Governance werden in den Mindestkriterien kaum angesprochen. Dabei vermischt der Profifußball immer wieder Ämter und Aufgaben. Jüngstes Beispiel: Uli Hoeneß, eigentlich Aufsichtsrat, hat in den letzten Wochen wie ein Vorstand agiert und den Bayern-Kader geplant. Müsste man darauf mehr Wert legen?
Es stimmt, da liegt noch viel Potenzial. Ich nenne noch ein Beispiel: Wenn ein Berater zeitgleich Coach, Supervisor und Spieler eines Vereins betreut, was immer mal wieder vorkommt, widerspricht das jeglichen Aspekten guter Unternehmensführung, weil es zu Interessenskonflikten führt. Als Geschäftsführer der DFL hatte ich versucht, das zu ändern, konnte mich in diesem Punkt aber nicht durchsetzen.
Was fehlt Ihnen noch in den Nachhaltigkeitskriterien?
Auf lange Sicht gesehen müssen wir den Spielplan dem Kalenderjahr anpassen. Stets gegen die Natur zu spielen, ist nicht zielführend. Denken Sie an die irren Energieverbräuche im Winter. Eine Rasenheizung verbraucht professional Tag etwa 2.000 Liter Heizöl – das entspricht dem Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses. Und alle 56 Vereine bis runter in die 3. Liga haben eine Rasenheizung. Dazu kommen das Flutlicht, die Heizkosten für die Innenräume und vieles mehr.
Und wann würden die Welt- und Europameisterschaften stattfinden, wenn die Liga im Winter pausiert und im Sommer durchspielt?
Additionally, wenn es uns gelingt, eine WM mal eben in den Winter zu verlegen, weil die Kataris das wollten, dann sollten wir auch kreativ genug sein, dafür eine Lösung zu finden. Abgesehen davon: In Skandinavien wird das schon praktiziert. Deren Saison geht von März bis November.